Jan Beránek: Nirgends zugehörig

Es gibt Menschen, die in keine unserer gängigen Schubladen passen. Von der Geschichte werden sie meist vergessen und die Gegenwart weiß mit ihnen nichts Rechtes anzufangen. Zu diesen Menschen gehörten definitiv auch deutschsprachige Einwohner der Tschechoslowakei, die während des Zweiten Weltkriegs gegen die Nazis kämpften. Als der aus Teplice stammende Kurt Taussig 1942 den tschechoslowakischen Einheiten der Royal Air Force beitreten wollte, wurde sein Antrag abgelehnt. Grund hierfür war, wie sich später herausstellte, seine deutsch-jüdische Herkunft. Pilot wurde Taussig am Ende doch noch, wenn auch auf anderem Wege. Jan Beránek hat seine Geschichte viele Jahre später wiederentdeckt. Der beim Tschechischen Fernsehen tätige Journalist führt mit seiner Dokumentation anschaulich vor Augen, wie wichtig es ist, auch die Schicksale von Menschen in Erinnerung zu behalten, die nicht in ein schwarz-weißes Geschichtsbild passen.

Wir sind beide aus Teplice. Wir haben in derselben Straße gewohnt und sind in dieselbe Schule gegangen. Ich hatte das Gefühl, ich rede mit einem älteren Mitschüler vom Gymnasium, der im selben Umfeld aufgewachsen ist und an bestimmte Orte ganz ähnliche Erinnerungen hat wie ich. Unsere Beziehung war wirklich sehr persönlich. Herrn Taussig war anzumerken, dass er seine letzten Kräfte mobilisiert hätte, um mir etwas zu erzählen.

Jan Beránek

Nirgends zugehörig

Die Geschichten deutschsprachiger Tschechoslowaken jüdischer Herkunft zeigen, dass die Dinge komplizierter waren. Dass sich ihre Loyalität gegenüber der Heimat gegen antideutsche Stimmungen und mitunter auch gegen Antisemitismus behaupten musste. Sie wollten auf Seiten der „Guten“ kämpfen, sprachen aber die Sprache der „Bösen“, und so gehörten sie, wie auch der Titel von Jan Beráneks Dokumentarfilm andeutet, erst einmal nirgendwohin. Eindrucksvoll ist neben den Aussagen der Akteure, Historiker und einstigen tschechoslowakischen Piloten in Großbritannien auch der Schlusspunkt der Geschichte: Der Protagonist nimmt nach Jahrzehnten wieder Kontakt zur Stadt seiner Kindheit auf und bekommt von dieser die Ehrenbürgerschaft verliehen. Das lange Verfolgen einer Story ist für erfahrene Dokumentarfilmer Routine. Jan Beránek kommt jedoch aus der Fernsehberichterstattung, wo Langsamkeit eher hinderlich ist. Umso mehr ist zu betonen, dass er die Grenzen des Genres in Richtung Dokumentarfilm überschritten hat. Ich hoffe, dass dies nicht der letzte Lichtblick in den tschechischen Medien ist.

Vojtěch Berger

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Nikam nepatřit [Nirgends zugehörig]

Autor: Jan Beránek

Name des Mediums: Český rozhlas

Veröffentlichungsdatum: 26. 12. 2019

Jan Beránek

Der Autor ist bereits seit 2013 Mitglied der Inlandsredaktion des Tschechischen Fernsehens. Zuvor war er sechs Jahre für die Tschechische Presseagentur ČTK tätig. Sein Interesse gilt vor allem Themen aus den Bereichen Verkehr und Geschichte.